Beispiele erstrittener Gerichtsentscheidungen:
17.06.2009
1. Das zu ec-Karten (heute „girocards“) mit Triple-DES Schlüssel ergangene Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 05.10.2004(- XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308) ist auf Kreditkarten (hier: Eurocards bzw. MasterCards) entsprechend anwendbar.
2. Bei Geldautomatenauszahlungen mit Karte und PIN handelt es sich trotz Diebstahls bzw. Abhandenkommens der Karte um legitimierte Auszahlungen, mit denen der Kartenemittent den Karteninhaber belasten darf. Der Kartenemittent kann sich darauf berufen, dass der aus dem Kartenvertrag berechtigte Karteninhaber gegen seine nebenvertragliche Pflicht verstoßen haben, die Karte mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren und dafür Sorge zu tragen, dass kein unbefugter Dritter Kenntnis von der PIN ((Personal Identification Number) erhält.
3. a) Grundsätzlich spricht in Fällen, das heißt Lebenssachverhalten mit Diebstahl bzw. Abhandenkommen der Karte mit anschließendem Karteneinsatz mit PIN, der Anscheinsbeweis dafür, dass entweder der Kartenbesitzer als rechtmäßiger Karteninhaber die Abhebungen selbst vorgenommen hat, oder dass der Karteninhaber gegen seine Sorgfaltspflichten beim Umgang mit Karte und PIN verstoßen hat und ein Dritter nach der Entwendung oder dem sonstigen Abhandenkommen der Karte von der PIN nur wegen ihrer Verwahrung gemeinsam mit der Karte Kenntnis erlangen konnte.
b) Dies gilt auch dann, wenn ein Karteninhaber die Zahlungsmedien so verwahrt hat, dass ein Dritter sie zeitweise verwenden konnte und sich nicht mehr klären lässt, ob der Berechtigte durchgehend im Besitz der Karte war.
c) Ein Anscheinsbeweis setzt nicht die Feststellung voraus, dass die PIN-Entschlüsselung mit größtmöglichem finanziellen Aufwand mathematisch ausgeschlossen ist. Fragen des Sicherheitssystems haben mit dem die Anwendung der Anscheinsbeweisgrundsätze voraussetzenden Lebenssachverhalt nichts zu tun.
4. a) Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises ist es erforderlich, dass der primär darlegungs- und beweisbelastete Karteninhaber dem Anscheinsbeweis durch konkrete Darlegung und gegebenenfalls Nachweis der Möglichkeit eines atypischen Verlaufs die Grundlage entzieht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es die theoretische Möglichkeit der Kenntniserlangung der PIN durch Dritte gibt.
b) Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises genügen allgemeine Behauptungen des Karteninhabers zu angeblichen Systemunsicherheiten bzw. an die Adresse des Kartenemittenten erhobene Forderungen zu umfassendem Vortrag zu seinem Sicherheitssystem nicht; insbesondere genügt auch nicht der Verweis auf mehr theoretisch gebliebene Möglichkeiten der Kenntniserlangung der PIN durch Dritte oder gar Angriffe auf bzw. Sicherheitsmängel von anderen Kartensystemen anderer Emittenten. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Karteninhaber – unter substantiiertem Vortrag entsprechender Anknüpfungstatsachen - Sicherheitslücken im System des betreffenden Kartenausgebers aufzeigt, wozu der Karteninhaber auch in der Lage ist.
5. Die sekundäre Beweislast von Kartenemittenten beim Vortrag zum Sicherheitssystem beschränkt sich auf den Rahmen des Zumutbaren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 05.10.2004(- XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308), wobei die berechtigten, nicht zuletzt im Kundeninteresse liegenden Geheimhaltungsinteressen des Kartenemittenten zu beachten sind.
Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17.06.2009 (23 U 22/06).
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Der Wortlaut der Entscheidung kann Hier abgerufen werden.