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Beispiele erstrittener Gerichtsentscheidungen:


27.07.2012

Bei streitigen Autorisierungen mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments ausgelöster Zahlungsvorgänge besteht gemäß § 675w Satz 2 und Satz 3 Nr.1 BGB eine neue gesetzliche, durch Dokumentation verstärkte Beweisvermutung der Autorisierung durch den Zahler. Will der Zahler die Beweisvermutung(en) des § 675w BGB anzweifeln, ist zur Widerlegung (wie auch zur Entkräftung des Anscheinsbeweises) konkreter und substantiierter Vortrag sowie Nachweis des Zahlers dazu erforderlich, dass es sich um nicht von ihm autorisierte Zahlungsvorgänge handelt. Das Erfordernis des Nachweises des Einsatzes der Original-Zahlungskarte durch den Zahlungsdienstleister gilt nur insoweit, als ein glaubhafter und erheblicher Vortrag des Zahlers dazu vorliegt, dass gerade nicht die Originalkarte zum Einsatz kam.

Urteil des Amtsgerichts Dieburg vom 27.07.2012 (20 C 387/12 (26)).


Vor dem Amtsgericht Dieburg hatte die Klägerin (Kreditkartenemittentin, Zahlungsdienstleisterin) klageweise gegen einen Kreditkarteninhaber (Zahler, Zahlungsdienstnutzer, ZDN) ihren Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c Abs.1, 670 BGB aus zwei – streitigen – mit Kreditkarte und PIN getätigten Geldautomatenauszahlungen in Thailand geltend gemacht. Zunächst hatte der Zahler behauptet, bei den Abhebungen kein Geld aus dem Automaten erhalten zu haben. Später behauptete er, er sei während seiner Abhebeversuche Opfer eines Skimming-Angriffs geworden und unbekannte Täter hätten ca. eine halbe Stunde nach seinen Abhebeversuchen eine Kartendublette mit ausgespähter PIN missbräuchlich eingesetzt. Die Kreditkarte war dem Zahler nicht abhanden gekommen.

Das Amtsgericht Dieburg urteilte, dass der Kartenemittentin der Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c Abs.1, 670 BGB zusteht. Das Gericht sah zwar die Kartenemittentin in Einklang mit der BGH-Rechtsprechung (vgl. insbes. BGH-Urt.v. 29.11.2011 – XI ZR 370/10) grundsätzlich als darlegungs- und beweisbelastet dafür an, dass die Originalkarte eingesetzt wurde, urteilte jedoch zutreffend, dass „dies ... nur insoweit (gilt), als ein glaubhafter und erheblicher Vortrag des (Karteninhabers) dazu vorliegt, dass gerade nicht die Originalkarte zum Einsatz kam“. Im betreffenden Fall war die zweimalige Nutzung der Kreditkarte des Karteninhabers am Geldautomaten durch Transaktionsprotokolle, Rückbelastungsdokumentationen und Geldautomaten-Einreicher-Journale vom Zahlungsdienstleister dokumentiert worden und das Gericht sah dies als ausreichenden Nachweis des ordnungs- und systemgemäßen Einsatzes der Kreditkarte des Karteninhabers und ihm nach dem neuen Zahlungsdiensterecht der §§ 675c-676c BGB zuzuordnenden Authentifizierungen an; glaubwürdiger und erheblicher Vortrag des Karteninhabers, dass gerade nicht die Originalkarte zum Einsatz kam, fehlte.

Das AG Dieburg wird mit seinem Urteil der zutreffenden Auslegung des neuen Zahlungsdiensterechts gerecht, wonach der Dokumentation der Zahlungsvorgänge in Form von Transaktionsprotokollen oder Geldautomatenprotokollen eine größere praktische Bedeutung als nach bisherigem Recht zukommt, da durch die neuen gesetzlichen Beweisvermutungen des § 675w BGB zugunsten des Zahlungsdienstleisters zunächst alles dafür spricht, dass dem Zahlungsdienstnutzer zuzuordnende Autorisierungen der streitigen Zahlungsvorgänge vorliegen, das heißt eine durch Dokumentation verstärkte Beweisvermutung zulasten des Zahlers für die Verwendung des (Original-)Zahlungsauthentifizierungsinstruments bzw. –verfahrens durch ihn selbst oder durch eine von ihm autorisierte Person (Beweisvermutung der Autorisierung des Zahlungsvorgangs, § 675w S.2. und S.3 Nr.1 BGB) oder durch einen unbefugten Dritten aufgrund grob fahrlässiger Verletzung der Pflichten des § 675l BGB bzw. vertraglicher Sorgfaltspflichten (Beweisvermutung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung, § 675w S.2 und S.3 Nr.3 BGB) gegeben ist (vgl. weiterführend NomosKommentar/Beesch, BGB, 2.Aufl. 2012, §§ 675v-w, Rn.23 ff, Rn 27 f, Rn.40; zur Unterscheidung und zur Unterscheidbarkeit von sog. Lost/Stolen(=Verlust)Fällen und Skimming-Fällen vgl. weiterführend Beesch/Willershausen in: jurisPR-BKR 9/2012, Anm.1 m.w.N.).


Der Wortlaut der Entscheidung kann Hier abgerufen werden.

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