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Beispiele erstrittener Gerichtsentscheidungen:


01.03.2013

Nach neuem Zahlungsdiensterecht greift eine gesetzliche Beweisvermutung nicht allein für die Autorisierung der (in den Transaktionsprotokollen des Zahlungsdienstleisters dokumentierten) Zahlungsvorgänge - hier Transaktionen im Präsenzgeschäft mit Kreditkarte und Unterschrift in Akzeptanzunternehmen – (§ 675w Satz 2 und Satz 3 Nr.1 BGB), sondern (im Falle fehlender Autorisierung) auch für das Vorliegen grob fahrlässiger Pflichtverletzungen durch den Karteninhaber (§ 675w Satz 2 und Satz 3 Nr.3 BGB), wenn diese Beweisvermutung durch den Karteninhaber nicht entkräftet bzw. widerlegt wird.

Einfaches Bestreiten der ordnungsgemäßen Aufzeichnung der Zahlungsvorgänge durch den Karteninhaber (Zahlungsdienstnutzer) ist unerheblich; erforderlich ist vielmehr die konkrete Darlegung, bezüglich welcher Vorgänge anhand welcher Anhaltspunkte Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Aufzeichnungen besteht.

Auch nach neuem Zahlungsdiensterecht sind die vertragliche und gesetzliche Pflicht zur besonders sorgfältigen Aufbewahrung der Zahlungskarte und zu deren unverzüglichen Sperre nach Verlust grob fahrlässig verletzt, wenn sich der Karteninhaber nicht jederzeit im Klaren darüber ist, wo sich die Karte befindet, und wenn er den Verbleib der Karte bei konkretem Anlass (wie z.B. dem Diebstahl weiterer Zahlungskarten) nicht unverzüglich überprüft. Ein Irrtum über den Aufbewahrungsort der Zahlungskarte zeigt bereits die Vernachlässigung diesbezüglicher Sorgfaltspflichten.

Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 01.03.2013 (23a C 222/12) - rechtskräftig.
= WM 2013, 1355-1357
= ZIP 2013, 1466-1467


Vor dem Amtsgericht Hamburg hatte die Klägerin (Kreditkartenemittentin, Zahlungsdienstleisterin) klageweise gegen eine Karteninhaberin (Zahlerin, Zahlungsdienstnutzerin, ZDN) ihren Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c Abs.1, 670 BGB und (im Fall nicht autorisierter Zahlungsvorgänge) ihren Schadenersatzanspruch aus grob fahrlässigen Pflichtverletzungen gemäß §§ 657v Abs.2, § 675l BGB und Nr.8 Abs.1 S.3 ihrer AGB aus mehreren Umsätzen im sog. Kreditkarten-Präsenzgeschäft in Akzeptanzunternehmen mit Karte und Unterschrift geltend gemacht. Die Klägerin legte die kompletten - von ihrem Issuing-Processing-Unternehmen geführten - Transaktionsprotokolle vor, in denen für alle streitigen Umsätze die verfahrensgerechte Authentifizierung und die Ordnungsgemäßheit der Aufzeichnungen dokumentiert war. Nach den Behauptungen der beklagten Karteninhaberin war ihr die Kreditkarte samt ihrer Handtasche in einem Nachtclub gestohlen worden. Erst 10 Tage nach dem Diebstahl sperrte die Beklagte die Kreditkarte und trug vor, zwar den Diebstahl anderer Zahlungskarten, nicht jedoch den Diebstahl auch der streitigen Kreditkarte sogleich bemerkt zu haben. Sie meinte außerdem, dass sie sich über den Aufbewahrungsort der Karte geirrt habe, und dass sie nicht jederzeit habe wissen müssen, an welcher konkreten Stelle sich ihre Kreditkarte in jedem Moment befinde. Schließlich bestritt sie, dass eine Authentifikation der behaupteten Transaktionen erfolgt sei, und dass sie ordnungsgemäß aufgezeichnet worden seien.

Das Amtsgericht Hamburg sah den Nachweis der Authentifikation und der ordnungsgemäßen Aufzeichnung bezüglich aller streitbefangenen Transaktionen durch die von der Klägerin vorgelegten Transaktionsprotokolle als geführt an und urteilte, dass hier eine gesetzliche Beweisvermutung nicht allein für die Autorisierung der Zahlungsvorgänge, sondern (im Falle fehlender Autorisierung) auch für das Vorliegen grob fahrlässiger Pflichtverletzungen durch die Karteninhaberin greife, die dazu geführt haben, dass unbefugte Dritte die Kreditkarte verwendet haben (§ 675w BGB). Diese Beweisvermutung habe die Beklagte nicht entkräftet; sie habe insbesondere nicht die Möglichkeit eines ernsthaft in Betracht kommenden anderen oder atypischen Geschehensverlaufs dargelegt. Das Amtsgericht Hamburg bestätigte mit seinem Urteil insbesondere, dass die bisherige herrschende Rechtsprechung auch unter dem neuen Zahlungsdiensterecht Bestand hat, wonach die vertragliche und gesetzliche Pflicht zur besonders sorgfältigen Aufbewahrung einer Zahlungskarte und zu deren unverzüglichen Sperre nach Verlust grob fahrlässig verletzt ist, wenn sich der Karteninhaber nicht jederzeit im Klaren darüber ist, wo sich die Karte befindet, und wenn er den Verbleib der Karte bei konkretem Anlass (wie z.B. dem Diebstahl weiterer Zahlungskarten) nicht unverzüglich überprüft. Ein Irrtum über den Aufbewahrungsort der Zahlungskarte zeige bereits die Vernachlässigung der diesbezüglichen Sorgfaltspflichten.


Der Wortlaut der Entscheidung kann Hier abgerufen werden.

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